Im April sah man überall die Hasenglöckchen leuchten, nun im Mai / Juni kann man die
blaue Glockenblume oder Campanula läuten hören.
Die zarten Glockenblumen (Campanula) sind ebenso wie der Fingerhut eine Feenpflanze. Die wunderschönen, blauen Blüten öffnen sich weit
und man kann es fast ganz leise läuten hören, wenn man sie betrachtet. Die "Blauen Blumen" waren schon immer für uns Menschen faszinierend -
ihre Symbolik reicht von Sehnsucht und Liebe, über die Romantik, die Ferne und der Wanderschaft bis zur Unendlichkeit. Zu ihnen gehören
z. B. die Wegwarte, das Vergissmeinnicht und der Ehrenpreiss, die Kornblume, der Enzian und eben auch die Glockenblume.
Es gibt viele Glockenblumen, sie sind eine große Familie. Die Hälfte von ihnen wächst in den alpinen Regionen. Von Glöckchen in Bodendeckerform
bis zu 2 m Wuchshöhe (Dolden-Glockenblume) ist alles möglich. Es gibt einige 1 bis 2-jährige Pflanzen, die meisten sind jedoch ausdauernd.
Die Blüten sind zwittrig, mit 5 miteinander an der Basis verwachsenen Kelchblättern. Sie können länglich und röhrenförmig oder ballon- oder
glockenförmig sein. Die Spitzen stehen dann frei. Es gibt überwiegend Glockenblumen in lila-blau oder weiß, sehr selten blühen sie in einem
hellen Gelb.
Die Glockenblume war die Staude des Jahres 2001. Ihren Namen verdankt sie ihrer Blütenform. Vielen Insekten, wie Bienen oder Hummeln und
auch Schmetterlinge lieben die Glockenblume als Nahrungsquelle. Manchmal blühen sie bis in den September hinein.
Leonhart Fuchs erwähnt 1542, dass er den lat. Namen "Campanula" als kleine Glocke übersetzt hätte und er somit der Namensgeber wäre.
Doch er übersetzte das "Blaue Halskraut" und nicht die Glockenblume. Die Namensgebung "kleine Glocke" oder das "Glöckchen" und den
Gattungsnamen "Campanula" kann Carl von Linné seit 1753 in Anspruch nehmen.
Als Heilpflanze hat die Glockenblume bei uns keine Bedeutung mehr. Doch ist sie eine schöne Deko auf Torten oder im Salat, giftig ist sie nicht.
Die Acker-Glockenblume (Campanula rapunculoides) heißt auch Mausöhrchen, da ihre Blätter wie die Öhrchen einer Maus aussehen.
Ein anderer Name ist Rapunzel-Glockenblume, früher wurde sie in den Gärten als Nahrungsmittel angebaut. Ihre Wurzeln können gegessen
werden, die Blätter ebenso - möglicherweise waren die Rapunzeln im gleichnamigen Märchen der Gebrüder Grimm die Blätter der Glockenblume.
Man hielt die Rapunzeln früher eigentlich für Feldsalat, doch dieser wurde erst ab dem 19. Jh angebaut.
"Es war einmal ein Mann und eine Frau, die wünschten sich schon lange vergeblich ein Kind, endlich machte sich die Frau Hoffnung, der liebe Gott
werde ihren Wunsch erfüllen. Die Leute hatten in ihrem Hinterhaus ein kleines Fenster, daraus konnte man in einen prächtigen Garten sehen,
der voll der schönsten Blumen und Kräuter stand; er war aber von einer hohen Mauer umgeben, und niemand wagte hineinzugehen, weil er einer
Zauberin gehörte, die große Macht hatte und von aller Welt gefürchtet ward.
Eines Tages stand die Frau an diesem Fenster und sah in den Garten hinab, da erblickte sie ein Beet, das mit den schönsten Rapunzeln bepflanzt war;
und sie sahen so frisch und grün aus, dass sie lüstern ward und das größte Verlangen empfand, von den Rapunzeln zu essen. Das Verlangen nahm
jeden Tag zu, und da sie wusste, dass sie keine davon bekommen konnte, so fiel sie ganz ab, sah blass und elend aus. Da erschrak der Mann und
fragte: "Was fehlt dir, liebe Frau?" - "Ach," antwortete sie, "wenn ich keine Rapunzeln aus dem Garten hinter unserm Hause zu essen kriege,
so sterbe ich." Der Mann, der sie lieb hatte, dachte: "Eh du deine Frau sterben läßest, holst du ihr von den Rapunzeln, es mag kosten, was es will."
In der Abenddämmerung stieg er also über die Mauer in den Garten der Zauberin, stach in aller Eile eine Handvoll Rapunzeln und brachte sie
seiner Frau. Sie machte sich sogleich Salat daraus und aß sie in voller Begierde auf. Sie hatten ihr aber so gut, so gut geschmeckt, dass sie den
andern Tag noch dreimal soviel Lust bekam", usw.
Die Glockenblume wirkt leicht astringierend, antiseptisch und leicht wundheilend. In Brandenburg und Hamburg ist der Bestand stark
gefährdet und sie steht dort bereits auf der roten Liste. Mach dich am besten für dein Bundesland schlau, falls du sie sammeln willst.
Auf den Kapverden wächst die endemische Campanula jacobaea. Auf portugiesisch heißt sie "contra bruxas-azul" - was soviel heißt, wie
Blau gegen Hexen :=). Sie ist sogar auf den 5-Escudo Münzen abgebildet.
Bei den Kelten standen die Glockenblumen immer in Verbindung mit dem Reich der Feen. Die Glöckchen galten als Übergang in die Anderswelt
und Illustrationen zeigen gerne kleine Elfen mit Glockenblumen als Hütchen oder Röckchen. Sie galten auch als Geschenk der Elfen an die Menschen.
Im Christentum werden blaue Blumen gerne mit Maria in Verbindung gebracht. So heißt die Pflanze auch Marienglocke und steht für die
Reinheit und Unschuld der Mutter Jesu. Glück und Wohlstand - dafür steht die Glockenblume in Japan.
In der Magie symbolisiert die Glockenblume Wahrheit und Glück. Trägt jemand eine Glockenblume am Laib, wird er gezwungen immer
die Wahrheit zu sagen. Als Glücksbringer pflückst du eine Blüte ab und sagst: "Glockenblume, Glockenblume - bring mir Glück, bevor der
morgige Tag zu Ende ist." Dann trägst du sie im Schuh bei dir und schaust, was passiert. Ein Liebeszauber besagt: Gelingt es dir, eine Blüte
umzustülpen ohne dass sie verletzt wird, wirst du mit deinem Herzensmenschen zusammengeführt.
Wie die Glockenblumen entstanden sind, kann man in dem schönen Buch nachlesen: Was Blumen erzählen von Margareta Fuchs.
Dort findest du viele spannende Pflanzengeschichten, z. B. von der Kamille, dem Mohn, Seerose und Märzenbecher und noch viel mehr.
"Wie die Glockenblumen entstanden sind"
Einst waren die Mäuse in großer Not; denn die Katze fing und tötete alle, die sich sehen ließen. Da kamen sie zusammen und ratschlagten, wie sie
sich vor der Katze schützen möchten. Aber da war guter Rat teuer, und die erfahrensten Mäuse bedachten sich lange vergeblich.
Endlich erhob sich ein junges Mäuslein und sprach: „Wir kaufen eine Glocke, die hängen wir der Katze um den Hals; dann hören wir es gleich,
wenn sie kommt!“ Alle riefen froh: „Das ist ein guter Vorschlag; das wollen wir tun!“ Sie legten sogleich all ihr Geld zusammen und kauften eine
Glocke. Nun berieten sie weiter und sprachen: „Wer will der Katze die Glocke umhängen?“ Da riefen sie alle: „Ich nicht!“ „Ich auch nicht!“
Da lag nun die schöne Glocke nutzlos da, und es erhob sich ein Streit unter ihnen. Die eine Maus sagte: „Du bist schuld daran, dass ich mein
schönes Geld ausgab!“ Die andere rief: “ Nein, du bist selber schuld daran!“
Zuletzt kaufte ihnen ein Wiesenzwerg die niedliche Glocke ab, und der schenkte sie einer schönen Blume auf der Wiese.
Und seit der Zeit gibt es Glockenblumen.
Es ist übrigens mit den Glockenblumen und Hasenglöckchen ziemlich verwirrend, wenn man nach Großbritannien, Schottland und Irland schaut,
darauf gehe ich weiter unten noch einmal ein. Doch hier noch eine Geschichte zur Campanula Rotundifolia, zur Rundblättrigen Glockenblume.
Bei Walter Gregor, 1881, in "Notes on the Folklore of the North-East of Scotland" gibt es da zu lesen: Die Hexe verwandelte sich in einen Hasen,
als sie loszog, um eine ihrer bösen Taten zu begehen, beispielsweise die Milch von der Kuh eines Nachbarn zu stehlen. Gegen einen solchen Hasen
hatte eine bleierne Kugel aus einem Gewehr keine Wirkung, wenn er auf einem Bauernhof umherlief oder den Kuhstall verließ, nachdem er seine Tat,
die Kuhmilch zu sich zu nehmen, vollbracht hatte. Denn hier heißt die Pflanze "harebell" - Hasenglocke oder "the Bluebell
of Scotland.
Die Hasenglöckchen sehen zwar aus wie die Glockenblümchen, gehören aber zur Pflanzengattung Hyacinthoides, also zu den
Hyazinthengewächsen. Sie blühen früher im Jahr, so im April-Mai. Sie sind typische Frühlingsblüher und tauchen ganze Wälder in
Blau-Lila-Töne. Es gibt sie aber auch in weiß und rosa, sie sind aber seltener. Im Gegensatz zur Glockenblume ist das Hasenglöckchen
in allen Teilen giftig und sollte keinesfalls verzehrt werden. Gräbt man die Zwiebeln aus - natürlich nur im eigenen Garten -
trägt man dazu am besten Handschuhe.
Sind sie abgeblüht, haben sich Tochterzwiebeln gebildet. Dorthin zieht sich die Pflanze zurück, wo sie den Rest des Jahres überdauert und auf
den nächsten Frühling wartet. Dann treibt sie aus den Tochterzwiebeln wieder aus - die eigentliche Zwiebel ist nur einjährig. Sie werden ca.
40 - 50 cm hoch. Früher wurden sie zu der Gattung Blausterne (Scilla) gerechnet. Nun haben sie ihre eigene Gattung, denn die Gattung Scilla
überdauert mehrjährig. Außerdem sind sie mehr mit den Hyazinthen verwandt, die je ebenfalls glöckchenartige Blütentrauben ausbilden und
aus Zwiebeln treiben.
Hasenglöckchen stehen unter Naturschutz und dürfen daher in der Wildnis nicht gepflückt oder ausgegraben werden. In Großbritannien sind
die Wälder im Frühling voll von den "bluebells - den Blauglöckchen , sie sind sogar die Nationalblume.
In den Chiltern Hills z. B. gab es sogar einst "bluebell trains", die durch die blühenden, blauen Landschaften fuhren. In East Sussex gibt es eine
Strecke, die noch heute "bluebell railway" genannt wird. So konnte man die weiten Flächen von blauen Glöckchen bequem vom Zug aus bewundern.
Und auch in der heutigen Gestaltung von Kunst, Tarotkarten, etc. haben die bluebells Einzug gehalten, z. B. im Orakel Deck von der wundervollen
Fez Inkwright: The Seeds & Sickle Oracle deck, oder im Botanica-Deck des Illustrators Kevin J. Stanton - ein echtes Kunstwerk und eines der
schönsten Decks, die ich habe.
Auch die Bluebells werden mit den Elfen assoziiert. Pflückt ein Kind ein Hasenglöckchen, besteht die Gefahr, dass es ins Elfenreich gelangt
und nie mehr wieder gesehen wird. Hörst du im Wald ein Hasenglöckchen ganz zart läuten, sind die Elfen aus der Anderswelt nicht fern.
Außerdem hängen die Elfen ihre Zaubersprüche zum Trocknen an die Blüten. Kommst du zu nah, können sie ihre wilde Magie über dich sprechen
und du wirst nie wieder den Weg aus dem Wald zurück finden. So war es auch keine gute Idee, sich einen Strauß Hasenglöckchen zu pflücken
und sie ins Haus zu bringen.
Die englische Namensgebung ist etwas tricky. Es gibt Glockenblumen, die entweder "bellflower" oder "bluebells" heißen. Die eigentlichen
bluebells sind aber die Hasenglöckchen. Die "harebells", übersetzt Hasenglöckchen sind nun aber eigentlich Glockenblumen (Campanula
Rotundifolia) und die englische bluebell gehört zu den Hyazinthen und heißt Hyacinthoides non scripta. Puh, ganz schön kompliziert!
Am besten richtet ihr euch nach den lateinischen Namen: Campanula - Glockenblumen, Hyacinthoides - Hasenglöckchen.
Zur Not könnt ihr sie ausgraben:), habt ihr eine Zwiebel gefunden, sind es Hasenglöckchen.
Zu den Harebells gibt es noch einen englischen Kinderreim von John B. Tabb: Poems Grave and Gay um 1900. Dabei geht es um die Verbindung
von Hasen zum Hasenglöckchen. Sie sollen in den Wäldern läuten, um die Hasen vor den Füchsen zu warnen:
Ein anderer Name für das Hasenglöckchen ist Wald-Hyazinthe. Sie hatte früher auch den Namen "Endymion non scripta.". Endymion war in
der griechischen Mythologie der junge und schöne Liebhaber der Selene, der Mondgöttin. Damit er immer jung bleibt, ließ sie ihn mit Hilfe
des Zeus ineinen tiefen und ewigen Schlaf sinken. Jede Nacht kam sie zu ihm und zeugt mit ihm 50 Töchter.
Ein anderer Name ist "Venus looking glass." Die schöne Göttin der Liebe besaß einen Spiegel. Dieser Handspiegel zeigt sich heute noch als
Symbol für den Planeten Venus. Dieser Spiegel war ein Zauberspiegel, denn er zeigte jedem der hineinblickte eine sehr viel schönere Version
seiner selbst. Doch eines Tages verlor Venus den Spiegel in einem Feld und ein Schäfer fand ihn. Als er hineinblickte, verliebte er sich in seine
eigene Schönheit. Der Gott Amor sah alles mit an und war mit dem Spiegel so gar nicht einverstanden. So nahm er den Spiegel und zerschlug
ihn in tausende, blau-glitzernde Fragmente. Diese wurden zu den bluebells, den Hasenglöckchen.
In Irland gibt es noch die Geschichte von Grainne und Diarmuid aus dem 12. Jh. Grainne war eine Prinzessin und Tochter des Hochkönigs
Cormac mac Airt. Sie sollte Finn Mac Cumhall heiraten, einen alten Witwer, der eine jüngere Gattin suchte. So schickte Finn Brautwerber
an den Hof von Tara.
Der Hochkönig entschied, seine Tochter selbst wählen zu lassen. Grainne glaubte der Brautwerber Oisin spräche für sich selbst und willigte
in die Hochzeit ein. Erst als Finn am Hof eintraf und ein Festgelage abgehalten wurde, erkannte sie ihren Irrtum. So ging sie mit einem kostbaren
Humpen um den Tisch und ließ jeden daraus trinken. Dabei traf sie Diarmuid, den Pflegesohn des Gottes Oengus Og. Auf ihm lag ein Fluch -
jedes Mädchen, welches sein Haupt erblickte, mußte sich in ihn verlieben. Und so verliebte sich Grainne in Diarmuid. Sie mischte den Saft von
Hasenglöckchen in den Wein. Darauf schliefen alle in der Runde ein und Grainne belegte Diarmuid mit einem geis, einem Gebot, so dass er mit ihr
in der Nacht floh.
Darauf hatten sie sich Finn zum Todfeind gemacht, dieser verfolgte sie und bedrohte beide mit dem Tode. Doch ein Bote der anderen Welt brachte
sie an ein Meeresufer. Nach Kämpfen gegen 1.000 Krieger und drei Hunde rasteten die beiden in den heiligen Ebereschenbäumen. Oengus verhalf
Diarmuid dazu, mit Finn Frieden zu schließen. Dieser lockte ihn aber in einen Hinterhalt. Er ließ ihn gegen einen Eber kämpfen, der ebenfalls
mit einem geis belegt war. Dieser würde mit ihm zusammen sterben. Diarmuid tötete den Eber, doch dieser schaffte es noch, ihm eine tödliche
Wunde beizubringen und Diarmuid starb. Noch heute gibt es in Irland Hünengräber mit der Bezeichnung "Grainnes und Diarmuids Bett",
eins findet man auf der Insel Inishmore. Die Geschichte um die beiden ist eine der keltischen Quellen von Tristan und Isolde.
Früher nutzte man die bluebells gegen Albträume, was man allerdings aufgrund des Giftgehalts lieber lassen sollte, da man eventuell aus diesem
Schlaf nicht mehr erwacht. Der Milchsaft aus den Blüten wurde früher als Klebstoff genutzt, z. B. um Federn an Pfeile zu kleben. Später kam
der Kleber beim Buchbinden zum Einsatz als natürliches Insektizid, das Insekten davon abhielt, die kostbaren Buchseiten zu zerstören.
Also, wenn du demnächst in den Wäldern und Wiesen unterwegs bist, bleib mal stehen und lausche, vielleicht kannst du je nach Jahreszeit
ein Hasenglöckchen oder eine Glockenblume ganz leise läuten hören ...
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